Der dialogische Religionsunterricht (RU) für alle im Bundesland Hamburg ist ein kontextuell entstandener, bisher von der evangelischen Kirche verantworteter und den in Hamburg vertretenen Weltreligionen unterstützter, rechtlich abgesicherter und in Deutschland so einmaliger RU.
Der Hamburger „Religionsunterricht für alle“ versteht sich als eine pädagogisch und theologisch verantwortete Konzeption angesichts der multikulturellen und multireligiösen Situation in Hamburg. Er wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen. In Hamburg wird der Religionsunterricht nicht nach Konfessionen getrennt erteilt, vielmehr lernen im Hamburger Religionsunterricht Kinder und Jugendliche aller religiösen und weltanschaulichen Orientierungen und Herkunft gemeinsam. Dies gilt unbeschadet des Rechts, aus dem Religionsunterricht auszutreten bzw. der Möglichkeit, ab Klasse 9 das Alternativfach Ethik bzw. Philosophie zu wählen.
1995 wurde mit der Bildung des “Gesprächskreises Interreligiöser Religionsunterricht in Hamburg (GIR)“ eine intermediäre Institution zur Beteiligung von Mitgliedern aus christlichen, jüdischen, muslimischen, alevitischen,
buddhistischen und inzwischen auch hinduistischen Gemeinschaften zum Zwecke der Beratung und Mitgestaltung des “Religionsunterrichts für alle” geschaffen (z.B. bei der Entwicklung der Bildungspläne, Entwicklung von U.-Materialien, Gestaltung von Lehrerfortbildungen etc.) .
Die über mehrere Jahre ausgehandelten und im November 2012 unterzeichneten Verträge zwischen der Hansestadt Hamburg, den muslimischen Verbänden (DITIB, Schura, VIKZ) und der Alevitischen Gemeinde beinhalten auch Vereinbarungen zum Religionsunterricht, die den Schritt vom „Religionsunterricht für alle in (ausschließlich) evangelischer Verantwortung“ hin zu einem „Religionsunterricht für alle in Übereinstimmung mit den Grundsätzen mehrerer Religionsgemeinschaften“ signalisieren.
Seit 2013 arbeiten Schulbehörde und die durch Staatsverträge anerkannten Religionsgemeinschaften daran, ein Modell unter dem Dach von Artikel 7(3) des Grundgesetzes zu entwickeln, in dem der Religionsunterricht nicht mehr ausschließlich von der evangelischen Nordkirche, sondern von allen beteiligten Religionsgemeinschaften gleichberechtigt verantwortet wird, so dass Schülerinnen und Schüler weiterhin im Klassenverband unterrichtet werden können. Neben der evangelischen Nordkirche nehmen die muslimischen Verbände Schura, Ditib, ViKZ und die alevitische Gemeinde sowie die jüdische Gemeinde Hamburg teil. Die katholische Kirche beteiligt sich bisher nicht an dem Prozess.
Die Weiterentwicklung des "RU für alle" soll unter anderem ermöglichen, dass neben evangelischen Lehrkräften zukünftig auch muslimische, alevitische und jüdische Religionslehrer/innen das Fach unterrichten können. Studiengänge für muslimische und alevitische Religionslehrkräfte werden inzwischen an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg angeboten. Dort entwickeln Religionsgelehrte aus verschiedenen Religionen eine dialogische Theologie. Am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) ist in der Abteilung Ausbildung ein entsprechendes Referendariat in Vorbereitung.
Mit dem Schuljahr 2014/15 beginnt für den Religionsunterricht in Hamburg eine neue Ära: Erstmals werden die Inhalte des Religionsunterrichts an zwei Schulen in Hamburg gleichberechtigt von der jüdischen Gemeinde Hamburg, der Nordkirche,den muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde verantwortet.
Der Erprobungsphase, angelegt über 5 Jahre, ist eine einjährige Vorbereitungs- und Planungsphase vorausgegangen, in der die zukünftig unterichtenden Lehrkräfte mit Beteiligung aller verantwortlichen Religionsgemeinschaften sowie der BSB, dem LI und dem PTI didaktische Prinzipien diskutiert und schulübergreifend erste Unterichtsmaterialien entwickelt haben.
Sie finden im Folgenden Texte und Informationen zur Geschichte und (Weiter-)Entwicklung des dialogischen Religionsunterrichts für alle in Hamburg.
Informationen zur Entwicklung, ursprünglichen Konzeption, zu den Zielen und didaktischen Grundsätzen des dialogischen Religionsunterrichts für alle in evangelicher Verantwortung in Hamburg finden Sie in einem Aufsatz von F. Doedens und W. Weiße: Religion unterrichten in Hamburg, erschienen in Theo-web, Zeitschrift für Religionspädagogik 6 (2007), H.1, S. 50-67, den Sie hier als pdf-Dokument hochladen können.
Christoph Link
Rechtsgutachten über die Vereinbarkeit des Hamburger Modells eines "Religionsunterrichts für alle in evangelischer Verantwortung" mit Artikel 7 Abs. 3 GG. Am 15. Januar 2001 erstattet von Professor Dr. jur. Christoph Link, Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg
Folkert Doedens
Religionsunterricht für alle – Hamburger Perspektiven auf das Fach „Religion und Kultur“ (Vortrag in Zürich 2002)
Folkert Doedens
Die ganze Stadt ist voll Religion. Didakt. Vorschläge zu einem multikulturellen RU (erschienen in: "ru" – Ökumenische Zeitschrift für den Religionsunterricht 2/2002)
Folkert Doedens
Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung und ökumenischer Offenheit. Der Hamburger Weg eines interreligiös strukturierten Religionsunterrichts (2004)
Folkert Doedens
Gemeinsame Grundsätze der Religionsgemeinschaften für einen interreligiösen Religionsunterricht? Der Hamburger Weg: Religionsunterricht für alle.
Hans-Ulrich Kessler
Der Hamburger Weg. Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung, erschienen in: Schönberger Hefte 1/2011, S. 24ff
Michael Hollenbach (dradio.de)
Hamburg und die Muslime - Der hanseatische Weg beim Religionsunterricht (September 2012)
Die Staatsverträge mit den muslimischen Religionsverbänden und der Alevitischen Gemeinde (November 2012) finden Sie hier.
Jochen Bauer
Jochen Bauer
Die Weiterentwicklung des Hamburger Religigionsunterrichts in der Diskussion zwischen Verfassungsrecht und Schulpädagogik (Dezember 2014)
Hedwig Gagfa
Schulstunde im Plural - Ein Besuch im Hamburger "Religionsunterricht für alle" (in: zeitzeichen 09/2017)
Am 10.2.2014 hat die Jüdische Gemeinde Hamburg eine Vereinbarung unterschrieben, die die gleichberechtigte Verantwortung für den RU für alle in Hamburg impliziert. Die Formulierungrn der Vereinbarung sind wortidentisch mit den zentralen Passagen zum Religionsunterricht in den Verträgen des Senats mit den Muslimen und Aleviten sowie dem entsprechenden Beschluss der Gemischten Kommission. Die VHRR begrüßt diesen Schritt sehr!
Für den Religionsunterricht in Hamburg beginnt mit dem Schuljahr 2014/15 eine neue Ära: Erstmals werden die Inhalte des Religionsunterrichts an zwei Schulen in Hamburg gleichberechtigt von der jüdischen Gemeinde Hamburg, der Nordkirche,den muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde verantwortet.
Der Erprobungsphase, angelegt über 5 Jahre, ist eine einjährige Vorbereitungs- und Planungsphase vorausgegangen, in der die zukünftig unterichtenden Lehrkräfte mit Beteiligung aller verantwortlichen Religionsgemeinschaften sowie der BSB, dem LI und dem PTI didaktische Prinzipien diskutiert und schulübergreifend erste Unterichtsmaterialien entwickelt haben. Für die Entwicklung von weiteren Unterrichtsmaterialien stellen auch weitere bisher im GIR vertretene Religionsgemeinschaften (Buddhismus, Hinduismus, Baha'i) ihre theologisch-religionspädagigischen Expertisen in Form von Beratungsangeboten zur Verfügung. Geplant ist eine regelhafte Evaluation der Erprobung durch das ifbq (Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung). Wir sind gespannt auf die weiter Entwicklung!
Mehr Informationen finden Sie hier